Wie können wir in Frieden zusammenleben?

Mawlānā Scheikh Nāẓim wurde gefragt: „Scheikh Efendi, wir beten immer um Frieden. Wie können alle verschiedenen Völker in Frieden zusammenleben?“

Bismi llāhi r-rahmāni r-rahīm (dt.: Im Namen Allāhs, des Gnädigen, des Barmherzigen)

Wir beten um Frieden, ihr betet um Frieden, und die Christen beten auch um Frieden. Aber weder individuell noch in der Gemeinschaft kommt es zu diesem Frieden. Warum nicht?

Die erste Bedingung für den Frieden unter den Menschen ist, dass einer den anderen mit Wohlwollen und Toleranz ansieht.

Wenn Leute verschiedener Herkunft oder Religion benachbart leben und wenn jeder die Rechte des anderen respektiert, dann können Menschen ohne Probleme nebeneinander leben.

Unser heiliger Prophet Muḥammad – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – hatte einen Juden zum Nachbarn. Niemals beschwerte er sich, niemals befahl er, dass man diesen Juden entfernen und ihn unter seinesgleichen ansiedeln sollte. Die Handlungen des Propheten sind für uns das beste Beispiel, und der Prophet – Segen und Friede seien mit ihm – betonte immer wieder die große Bedeutung guter nachbarschaftlicher Beziehungen.

Im heiligen Koran steht ausdrücklich, dass man an erster Stelle an seine Nachbarn Hilfe und Almosen verteilen soll.

Daher ist im Islām die Pflege guter Beziehungen zur unmittelbaren Nachbarschaft ein wichtiges Gebot, denn das gutnachbarliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Rassen und Herkunft lässt keinen Fanatismus aufkommen.

Ihr seid aufgefordert, gute Nachbarn zu sein.

Ihr habt eure Religion, euren Lebensstil, eure Überzeugung, und ein anderer hat die seinen.

Was eure Unterschiede anbetrifft, so lasst den Herrn darüber entscheiden; auf jeden Fall aber respektiert euren Nachbarn und tut ihm Gutes an. Das ist eure Pflicht. Wenn ihr eure Pflicht getan habt, dann könnt ihr auch von eurem Nachbarn Gutes erwarten. Schaut nicht auf dessen Fehler und kritisiert nicht seine Ansichten und Überzeugungen, die von den euren abweichen, damit keine Feindschaft zwischen euch wächst.

Lasst den Herrn Richter sein, Er ist der Richter aller Richter, dann wird jeder Fanatismus absterben.

Ich sitze hier mit euch zusammen.

Wenn ich euch alle als Geschöpfe meines Herrn betrachte – als einzigartige und vollkommene Ergebnisse Seiner unvergleichlichen Schöpfungskraft, so wie man eine Rose betrachtet oder einen fruchttragenden Baum, dann finde ich mich in einem Paradiesgarten, und von jedem Einzelnen geht ein innerer Friede aus, der auf mein Herz trifft.

Wenn wir einander in dieser Weise betrachten können, kommt es nicht nur zu Toleranz und gegenseitigem Verstehen, sondern es entsteht auch Vertrautheit und Anerkennung, und schließlich stellen sich auch Liebe und Frieden ein.

Weil die Menschen einander aber nicht als des Herrn unübertroffene und wertvolle Geschöpfe betrachten, können sich Leute gegenseitig nicht einmal ertragen, wie denn gar voreinander Respekt haben oder größere Vertrautheit suchen.

„Diese Welt ist für uns beide zu klein“, sagt einer zum anderen, ein Staat zum nächsten. Jeder macht sich selbst so groß, plustert sich auf und gönnt dem anderen keine Existenz.

Wegen dieser Einstellung zueinander werden die Menschen immer schwerer, so dass die Erde die Menschheit bald nicht mehr wird tragen können. Die Menschheit wird der Erde zu schwer, und zwar nicht auf Grund von Überbevölkerung, sondern wegen dieser Einstellung und der Handlungen der Menschen aneinander.

Wir hindern uns selbst daran, im anderen Liebenswertes zu sehen und miteinander vertraut zu werden. Wir betrachten jeden anderen als eine potentielle Gefahr für uns selbst, und nicht als Gottes Stellvertreter auf Erden. Und umgekehrt sieht auch der andere in uns nur die Gefahr, die ihm von uns droht, und verwehrt uns seine Zuneigung.

Solange ihr aber streitsüchtig und von eurem hässlichen, gierigen, niederen Ich besessen seid, kann keiner euch erreichen, und ihr könnt genauso wenig auf jemanden zugehen, ohne ihn zu verletzen.

Der erste Schritt ist daher die Arbeit an sich selbst; es gilt, das niedere Ich in seine Gewalt zu bekommen, damit es zwischen dir und deinen Mitmenschen eine liebenswürdige Beziehung geben kann.

Denn im heiligen Koran steht geschrieben:„Begegne Bosheit mit Güte, und siehe, wer jetzt dein Feind ist, wird dein enger Vertrauter werden.

Und keiner kann dies erreichen, es sei denn der Geduldige; und keiner wird dies erreichen, es sei denn der, der einen gewaltigen Anteil (am Guten) hat.“ [41:34-35].

Wa min Allāhi t-taufiq. (dt. Und von Gott kommt der Erfolg.)
Amin (dt. So sei es!.)

Dieser Vortrag ist ein Auszug aus:

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