Mujaddid
bezeichnet jemanden, der die Religion erneuert und wiederbelebt, indem er sie von fremden Elementen säubert und ihre makellose Reinheit wiederherstellt. Entsprechend der Tradition erscheint eine solche Person in jedem Jahrhundert des islamischen Kalenders.
Als Mudschaddid (arabisch مجدد, DMG muǧaddid ‚Erneuerer‘) wird eine Person bezeichnet, die gemäß einem angeblichen Prophetenspruch zu Beginn eines jeden muslimischen Jahrhunderts die Religion des Islams erneuert. Im Laufe der Jahrhunderte gab es unter maßgeblichen Experten heftige Auseinandersetzungen, wer als Erneuerer des Islam anerkannt werden soll. Genannt werden unter anderen Herrscher, Juristen, Philosophen und Theologen.
In der frühen Neuzeit wurden die Erneuerer der früheren Jahrhunderte mehrfach in Listen zusammengestellt. So nennt zum Beispiel Muhammad Qāsim al-Qassār, der wichtigste Religionsgelehrte am Hofe des marokkanischen Herrschers Ahmad al-Mansur (1578–1603), in einem Gedicht die folgenden Persönlichkeiten als Erneuerer: ʿUmar ibn ʿAbd al-ʿAzīz (Ende des 1. Jhs), asch-Schāfiʿī (2. Jh.), Abū l-Hasan al-Aschʿarī (3. Jh.), al-Bāqillānī und al-Isfarāyinī (4. Jh.), al-Ghazali (5. Jh.), Fachr ad-Din ar-Razi (6. Jh.), Ibn Daqīq al-ʿĪd (7. Jh.), al-Bulqīnī und Abū l-Fadl al-ʿIrāqī (8. Jh.), as-Suyūtī (9. Jh.).
Über die Frage, wer der Erneuerer der Religion am Ende des 10. islamischen Jahrhunderts war (das Jahr 1000 der Hidschra entspricht dem Jahr 1591/92 u. Z.), gab es in der islamischen Welt sehr unterschiedliche Vorstellungen. Während al-Qassār in einem anderen Gedicht seinen eigenen Herrscher Ahmad al-Mansūr als den Erneuerer seiner Zeit präsentierte und dabei dessen prophetische Abkunft betonte, meinte man in sufischen Kreisen Marokkos, dass Abū l-Mahāsin al-Fāsī (gest. 1604), der Gründer der bekannten Zawiya der Fāsīyūn in Fès, "der Erneuerer am Ende des Jahrtausends" (al-mudschaddid ʿalā raʾs al-alf) sei. In Mekka nahm der produktive hanafitische Gelehrte ʿAlī al-Qārī den Mudschaddid-Rang für sich selbst in Anspruch, und in indischen Naqschbandi-Kreisen war man um die Mitte des 17. Jahrhunderts überzeugt, dass dieser Rang allein dem Gelehrten Ahmad as-Sirhindī (gest. 1624) gebühre. Der Ausdruck Mudschaddid-i alf-i thānī ("Erneuerer des zweiten Jahrtausends") wurde zu einem festen Titel as-Sirhindīs.
Zu denjenigen, die im 20. Jahrhundert als Erneuerer im Sinne der Mudschaddid-Tradition angesehen wurden, gehörte Said Nursî, der Begründer der Nurculuk-Bewegung.